Chen Wangting entwickelte das Taiji der Chen Familie, basierend auf seiner Erfahrung als General und der Lehre des Taoismus, als Kampfsystem und nicht zur Verbesserung der Gesundheit. In diesem Artikel will ich näher auf den martialischen Aspekt eingehen und erläutern wie es dazu kam.
Zuerst jedoch ein paar Worte zur Schreibweise und dem Namen. Taiji (太极 tàijí) beschreibt das Wechselspiel von Ying und Yang und ist tief verankert in der Denkweise der chinesischen Gesellschaft und ein Grundprinzip des Taoismus. Es ist DER Prozess in welchem sich Gegensätze benötigen um zu existieren und kann als das höchste letzte übersetzt werden. Das Quan (拳 quán) macht daraus eine Kampfmethode. Quan bedeutet soviel wie Faust und zusammengehängt wird es als Taiji Boxen (Taiji quán) bezeichnet. Darum die Schreibweise Taijiquan. Dieser Begriff entstand jedoch erst später, am Anfang war einfach nur die Rede vom Chen Boxen.
Der Anfang
Das 18. Jahrhundert war eine gewalttätige Zeit da sogenannte Warlords Gebiete im heutigen China, als es noch nicht ein einheitliches Land war, brutal regierten. Auch waren überall Banden unterwegs, welche raubten und mordeten. Viele Familien oder Sippen entwickelten darum Kampfsysteme um sich und andere zu beschützen und zu verteidigen. Chen Wangting war ein pensionierter General als er seinen Kindern und Enkeln im Dorf der Chen ein neu entwickeltes Kampfsystem, welches fünf Grundformen und verschiedene Waffentechniken beinhaltete, unterrichtete. Dieses System basierte auf der Theorie vom Taoismus und Yin und Yang. Jede Generation erweiterte das System, zum Beispiel wurden die Kurzformen zu einer langen zusammengeführt oder es wurde das Push Hands entwickelt, welches eine Partnerübung ist, die mit einem geringen Verletzungsrisiko den Kampf simuliert.
Die Verbreitung
Schnell wurde die Chen Familie bekannt für ihre kämpferischen Fähigkeiten und sie wurden als Söldner und Leibwächter angeheuert. Die Meister in der Chen Familie waren über die Grenzen von Chenjiagou hinaus bekannt für ihre kämpferischen Fähigkeiten. Chen Fake, der Grossvater von Chen Yu, zog im Jahre 1928 nach Peking um der Armut vom Land zu entfliehen. Dort stellte er sich vielen Herausforderern und wurde nie besiegt. Dadurch gewann das Taiji der Chen Familie weitere Bekanntheit und das Interesse an deren Kampfsystem wuchs. Die Nachfahren von Chen Fake betonen heute noch im Unterricht sehr stark die kämpferische Seite. Es werden zum Beispiel zu jedem Element der Form Anwendungen unterrichtet. Auch gibt es viele zusätzliche Übungen, welche bestimmte kräftigende Aspekte beinhalten, wie zum Beispiel der Bang um die Greifkraft zu verbessern. In Chenjiagou selber gibt es nachwievor eine Trainingsgruppe, welche für den Kampf trainiert und auch erfolgreich Wettkämpfe bestreitet.
Das Seidenspulen
Das Prinzip des Seidenspulens war ein neues Konzept im System der Chen Familie um eine verbindende Körpermechanik zu entwickeln, welche optimiert wurde um im Kampf zu bestehen. Dieses Konzept war in der Zeit unbekannt und darum wurde das System auch lange Zeit nur in der Familie weitergegeben. Das Seidenspulen basiert auf der Idee, dass sich ein Körperglied nach dem anderen in einer Einheit bewegt, verbunden durch einen Seidenfaden. Dieser Faden sollte nicht zu lose sein, sonst verklebt er, aber auch nicht zu fest gezogen, sonst reisst er. Es entwickelt sich mit fortschreitendem Training eine gesamtheitliche Körpermechanik, welche in allen Bewegungen vorherrschen soll. Dadurch kann jede Bewegung in einem Zusammenspiel mit einer ausgerichteten Körperstruktur mit möglichst optimalem Kraftaufwand ausgeführt werden, unabhängig von der Technik.
Der gesundheitliche Aspekt
Noch ein paar Bemerkungen, warum im Taiji heutzutage der Gesundheitlich Aspekt im Vordergrund steht. Durch diese verbunden Bewegungsmechanik und optimierte Körperstruktur entstand eine schonende Haltung und wenig verschleiss am Körper als in anderen Systemen. Mit der Verbreitung in Peking und vor allem im Westen rückten die gesundheitlichen Vorzüge immer mehr in den Vordergrund. Auch leben heute viele Leute in einem sicheren Umfeld, wo kämpferische Fähigkeiten nicht mehr erforderlich sind um zu überleben.
Anwendungen im Unterricht
Im Unterricht vermittle ich auch diese kämpferischen Aspekte, vor allem bei den Partnerübungen wie Anwendungen oder Push Hands. Im Push Hands arbeiten wir viel an der Körperstruktur unter Druck. Die Anwendungen der einzelnen Elementen zu verstehen ist enorm wichtig, damit können die Bewegungen besser verinnerlicht werden und die ganze Form bekommt mehr Inhalt. Dabei möchte ich erwähnen, dass wir kein Selbstverteidigungs-Training machen, da gibt es besser geeignete Kurse in Chur. Alle Partnerübungen werden in einem freundschaftlichen und kooperativem Rahmen durchgeführt.
So ich hoffe, dass ich dein Interesse geweckt habe und dich an einem Einführungskurs kennen lernen darf.