Im Chen Taiji Unterricht hört man früher oder später das Wort Sinken. Wie dies Interpretiert werden soll und was alles dahinter steckt erläutere ich in diesem Artikel.
Mit dem Sinken wird im Kontext von Taiji die Erdung/Verwurzelung aktiviert, welches ein "Unten" schwer und "Oben" leer beinhaltet. Es sind jedoch keine grossen äusserlichen Bewegungen involviert, sondern das Gewebe, die Faszien, Muskeln und Knochen welche sich so ausrichten und arrangieren, dass das Gewicht in die Füsse sinken kann. Dies ist eine wichtige Voraussetzung um tiefer in das Taij vorzudringen und eine spiralige Körpermechanik (werde ich in einem separaten Artikel beschreiben) zu entwickeln.
Sinken im allgemeinen
Mit dem Wort Sinken wird oft ein sichtbarer Prozess verbunden, welcher in Richtung Boden erfolgt. Zum Beispiel wenn man steht und die Knie beugt sinkt der Körperschwerpunkt. Oder man lässt einen Stein auf der Wasseroberfläche los, welcher in Richtung Meeresboden sinkt. Dieser Vorgang kann schnell oder auch langsam sein.
Entspannung
Eine wichtig Voraussetzung, um das Sinken im Taiji zu verbessern, ist die Entspannung zu fördern. Aufpassen, damit ist aber nicht Schlappheit gemeint. Entspannung kann auch unter Anstrengung trainiert werden.
Nachdem die Form gelernt wurde, widmet man sich dem tieferen Bewusstsein der Entspannung. Im Chinesischen wird dies fàng sòng genannt und es beinhaltet ein Loslassen der inneren Anspannung, dem Sinken der Energie und leer werden im Brustbereich. Wichtig ist dabei, dass die Körperstruktur nicht kollabiert, sondern optimal ausgerichtet ist, ohne, dass es zu Blockaden in den Gelenken kommen kann. Darum sind Korrekturen der Körperstruktur am Anfang des Taiji Weges wichtig, da sie helfen ein Gefühl dafür zu entwickeln um diese Abweichungen, die alle haben, auszumerzen.
Die Entspannung zu fördern ist ein elementarer Schritt im Prozess und beinhaltet kontinuierliches Training um ein Gefühl dafür zu entwickeln. Dabei wird Step by Step immer weiter verfeinert und optimiert.
Interner Prozess
Wie schon erwähnt ist mit dem Sinken ein interner Prozess gemeint. Der ganze Körper ist dabei involviert. Die Schultern und Arme werden schwer, der Brustbereich leert sich und die Hüft- und Kniegelenke öffnen sich so, dass das Gewicht in die Füsse sinken kann. Dabei ist oben leer und unten voll. Es entsteht Erdung und ein Gefühl der Schwere, welche einem mit dem Boden verbindet. Um diesen Fortschritt anzukurbeln wird die Körperstruktur immer weiter in das natürliche Gleichgewicht gebracht. Dies geschieht im Gruppentraining, indem Korrekturen der Haltung vorgenommen und die Anforderungen umgesetzt werden.
Durch das Trainieren der gleichen Bewegungen kann die Aufmerksamkeit immer mehr auf das Sinken gerichtet werden. Ein gutes Werkzeug für die Sensibilisierung des Sinkens ist die sogenannte Stehende Säule. Dabei stehen wir etwa 10 Minuten in der gleichen Position und richten den Fokus auf das Innere des Körpers. Im Training ist es die erste Übung um die Körperstruktur zu stabilisieren und das Sinken herbeizuführen. Durch Fokussieren auf die einzelnen Teile des Körpers wie Knie, Hüfte, Kreuz, Brustbereich oder Schultern können diese Zusammengeführt und ins Gleichgewicht gebracht werden. Dabei entsteht ein Gefühl wie wenn der ganze Körper nach unten zieht, ohne dass wir uns bewegen. Diese Empfindung nehmen wir dann mit in die Bewegungen des gesamten Unterrichtes.
Die Atmung spielt dabei auch eine zentrale Rolle. Sie sollte tief und ruhig sein. Dadurch steigen die Emotionen nicht hoch, das Zentrum bleibt stabil und das entstandene Sinken wird verstärkt. Mit dem nach hinten hören wird der Geist ruhiger und die Aufmerksamkeit bleibt nach innen gerichtet. Es wird ein tieferes Verständnis für die kleinen Anspannungen erreicht und mit der Zeit können diese einfacher gelöst werden.
Schlussbemerkung
Da ich im Chen Taiji System zu Hause bin, nehme ich in diesem Artikel Bezug auf diesen Familien Stil. Jedoch kann das hier Beschriebene in allen anderen Stilen angewendet werden. Auch in Bewegunsmethoden ausserhalb des Taiji Umfeldes macht es Sinn, Aspekte davon zu integrieren. Zum Beispiel benutze ich Haltungs- und Struktur Ideen beim Snowboarden oder Joggen.
Mir ist bewusst, dass einiges hier sehr abstrakt daherkommt. Mit dem kontinuierlichen Training entsteht jedoch schnell Klarheit und der Weg wird offensichtlich. Habe ich dein Interesse geweckt? Im Angebot findest du die laufenden Kurse und Informationen zum Gruppenunterricht.