Vielfach wird Taiji als etwas geheimnisvolles angesehen. Es gibt unzählige Mythen davon und es wird nicht all zu oft mit Magie in Verbindung gebracht. In diesem Artikel will ich mit ein paar Legenden und Vorurteilen im Taiji aufräumen.
Die folgenden Themen sind Missverständnisse und Geschichten, welche ich in all den Jahren mitbekommen habe und mich durch meine Erfahrungen irgendwie verpflichtet fühle da Klarheit zu schaffen.
Taiji ist nur eine Reihe von Bewegungen
Wenn man Videos von chinesischen Taiji Gruppen im Internet sieht, dann gewinnt man schnell den Eindruck, dass die Choreografie, auch Form genannt, im Mittelpunkt steht. Die Form ist am Anfang wichtig für den Einstieg. Mit der Zeit tritt sie immer mehr in den Hintergrund und der Sinn der Bewegung wird wichtiger. Auch die Anforderungen nehmen einen immer zentraleren Platz ein. Die Form ist nicht das Ziel, sondern die Basis und das ganze mit Inhalt zu füllen ist was angestrebt werden soll.
Taiji hat nur eine Form und die ist langsam
Am Anfang wurde in der Chen Familie fünf kurze Routinen trainiert. Diese wurden dann zu einer Form zusammengefasst. Mit der Zeit entwickelten verschiedene Abstammungslinien und Aussenstehende ihre eigene Version. Heute gibt es 4 Familienstile (Yang, Sun, und zwei Wu), welche vom Chen Stil abstammen. In der Chen Familie gibt es auch noch verschiedene Hauplinien, wie die den grossen oder kleinen Rahmen trainieren oder den alten oder neuen Rahmen. In jeder Traditionslinie gibt es meistens noch eine explosive zweite Form und verschiedene Waffenformen, welche auch schnell und mit viel Power durchgeführt werden können. Somit wird schnell klar, dass hier ein weites Spektrum zur Verfügung steht und nicht jeder Mensch die gleiche Form übt.
Im Taiji gibt es eine geheimnisvolle Energie
Alle die sich mit Taiji auseinander setzten, stossen früher oder später auf den Begriff Qi (氣). Qi kann als grundlegende Energie, welche alles am Laufen hält, angesehen werden. Es gibt jedoch immer wieder Leute, welche das mystifizieren und sich selber geheime Superkräfte versprechen. Taiji ist was bodenständiges und nichts magisches wo man andere durch die Luft fliegen lassen kann. Leider findet man immer wieder sogenannte Meister, welche sich als Guru aufspielen und mit magischem Qi unnatürliche Sachen machen können. Was in Tat und Wahrheit nur ein Betrug an den eigenen Schülern ist.
Der Taiji Fortschritt ist linear
Wir sind uns im Westen gewöhnt, dass wir was lernen, dann zum nächsten gehen und wieder was neues erlernen. Im Taiji wäre das, eine Form zu lernen, dann die nächste und wieder eine weitere. Leider ist dies nicht der Fall, sondern es wird über eine längere Zeit immer wieder am selben geübt und trainiert. Mit der Zeit kommt was neues und zwischendurch geht man wieder zurück zum Alten um das nochmals zu überprüfen. Dadurch wird das neu gelernte oft wieder unter einem neuen Standpunkt verstanden und weiterentwickelt. Darum kann der Verlauf eher als Spirale angesehen werden.
Taiji ist eine innere Kampfkunst
Oft wird damit assoziiert, dass Taiji etwas weiches ohne Körperanstrengung ist. Eine äussere Kampfkunst, wie Shaolin Kung Fu, was hartes, bei welchem der Körper trainiert wird. Dies ist jedoch nicht der Fall, im Taiji geht es mehr darum die Körpermechanik zu schulen und dies wird mit langsamen Bewegungen verinnerlicht. Es gibt auch Drills und Trainingsmethoden, welche dem des Kung Fu sehr ähnlich sind.
Man muss ehrlicherweise sagen, dass der Kampfkunst Aspekt heutzutage stark in den Hintergrund getreten ist.
Taiji ist nur was für ältere Leute
Im Gegenteil, es ist eine Methode, welche für alle Altersklassen anwendbar ist. Man kann seinem eigenen Rhythmus folgen und seinem Alter entsprechen Trainieren. Wie Taiji unterrichtet wird, hängt jedoch stark vom Lehrer ab, dass er die Unterrichtsteilnehmer den Möglichkeiten entsprechend trainiert. Es bringt ja nichts wenn man eine ältere Person die körperlich Fit ist schont und eine jüngere, welche vielleicht irgendwelche Beschwerden hat zu sehr fordert.
Nur Chinesen können Taiji wirklich gut
Da Taiji in China entwickelt wurde, ist es offensichtlich, dass es auf dessen Gedankengut und Gesellschaft ausgerichtet ist. Es bedeutet aber nicht, dass nur Chinesen es sehr gut können. Viele Westler haben durch Beharrlichkeit und Mühen ein sehr hochstehendes Taiji entwickelt und wurden in deren Familien aufgenommen. Wichtig ist zu verstehen, dass es eine uns unbekannte Bewegungslehre ist und es darum gilt eingespielte Muster neu zu überdenken.
Beim Taiji muss man nichts überlegen
Eine weiterverbreitete These ist, dass das Ziel von Taiji ist, dass "Es" Taiji macht. Dass man sich leiten lassen soll und die Kontrolle abgibt und den Verstand ausschaltet. Hört sich sehr vielversprechend an, ist es aber nicht. Im Taiji ist man immer bei sich und sollte die Bewegungen verstehen und vor allem muss das ganze für einen Sinn machen. Es geht nicht darum, ohne Verstand jemandem komische Bewegungen nachzumachen. Darum entwickelt jeder Taji mit der Zeit für sich und darum gibt es soviel verschieden Ausprägungen davon. Dafür ist einiges an Denkarbeit erforderlich und theoretischer Background von Nöten.
Taiji muss man in der Gruppe trainieren
Das Gruppentraining ist am Anfang sehr wichtig, weil es eine gute Möglichkeit bietet sich mit anderen Auszutauschen und sich gegenseitig zu unterstützen. Mit der Zeit, trainiert man jedoch immer mehr für sich selber und und die Stunden im Gruppentraining werden dazu genutzt um Partnerarbeit zu verrichten oder sich Input vom Lehrer zu hohlen. Wenn jemand über Jahre nur Gruppentraining macht, dann ist Fortschritt schwierig, weil man sich nicht die Zeit nimmt um Sachen auszuprobieren.
Taiji zu machen ist genug
Mit Taiji werden sehr viele Aspekte des Lebens geschult, trainiert und gefördert. Jedoch besteht das Leben nicht nur aus Taiji, es ist wichtig, dass man sich auch noch anderweitig Körperlich und Geistig betätigt. Ich Jogge zum Beispiel regelmässig, bin begeisterter Snowboarder und lerne die chinesische Sprache. Taiji unterstützt mich dabei in ganz vielen Bereichen wie Körperhaltung, Fokussierung und Aufmerksamkeit. Von dem, her ist es gut, wenn man sein Spektrum erweitert, bei mir ist jedoch das Taiji der Kern von allem.
So ich hoffe, dass ich einige Vorteile und Mythen aus dem Weg räumen konnte. Wenn ich dein Interesse geweckt habe, komm doch mal in einem Einsteigerkurs vorbei.